Dina (Ukraine), Ukrainischer Glasperlenschmuck inspiriert von den Chagall Fenstern

Wenn sich das Lebenstempo beschleunigt und sich der Lebensdruck erhöht, sehnt man immer mehr nach den Momenten der Ruhe. So selten sind sie mit den Jahren geworden, sollte man beinahe auf die Jagd nach ein bisschen Stille gehen.

Als ich aber meinen ersten Spaziergang durch Mainz machte und die von außen ganz unauffällige Kirche betrat, hat genau dieses Gefühl von Ruhe mich plötzlich überfallen. Dort stand ich bezaubert im blauen sanften Licht der Chagall Fenster und genoss das An-Nichts-Denken. Mir wurde klar, dass ich hier in der Stephanskirche Zuflucht finde, wenn die Welt mal wieder ein bisschen zu viel ist.

In Mainz bleibe ich jedoch nicht auf Dauer. Vielleicht ist das egoistisch von mir, aber ich wollte trotzdem die Besinnlichkeit, die mir die Chagall Fenster geschenkt haben, nicht verlieren. So kam ich auf die Idee, diese Emotionen einzufangen, sozusagen aus dem Glas wieder ins Glas zu übertragen. Daraus ist Syljanka, ein traditionelles ukrainisches Kunsthandwerk, entstanden.

Ich würde mich sehr freuen, wenn ich hier behaupten könnte, dass ich diese Kunst von meiner Mutter gelernt hätte — das wäre aber leider nicht wahr. Viele künstlerische Handwerke werden den Kindern in der Schule in der Ukraine vorgestellt. Und als Elfjährige ist man voller Vorfreude, etwas aus den glänzenden Glasperlen zu flechten. Es ist doch schnell festzustellen, dass es für viele eine richtige Qual ist. Kein Wunder — Konzentration und Ausdauer werden im Überfluss gebraucht. Daneben muss man eine gewisse Zuneigung für Besinnlichkeit besitzen. Wenn man stundenlang, — diese Kette hat mich 30 Stunden meiner Nächte gekostet — mit seinen Gedanken tet-a-tet gelassen wird, soll man lernen, die innere Ruhe zu erlangen. Anders als meditativ lässt sich dieses Kunsthandwerk nicht bezeichnen.

Jetzt besitze ich ein Teilchen von Mainz, das mich in meiner weiteren Reise begleiten wird. Am schönsten ist aber nicht die Kette selbst, sondern die Geschichten, die in sie, wie Glasperlen, eingeflochten sind. Die Geschichten von einer Stadt, den neuen Freunden und guten Erinnerungen. Kaum kann ich erwarten, sie zu erzählen, wenn ich Syljanka zum nächsten Mal um meinen Hals anlege.

 

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